Dostojewskis Held: Songanalyse

Autor: L.M.     Kategorie: Verschiedenes

Alexej Pronitschew
Dostojewskijs Held: Songanalyse von Alexej Pronitschew
(Auszug aus der Magisterarbeit “Die russischsprachige Rockmusik in Hamburg und Deutschland”)

Das vorliegende Lied behandelt als Thema den Roman „Verbrechen und Strafe“ von F.
Dostojewskij. Insofern handelt es sich um sekundäre Literatur in Liedform, da sie sich auf den
Roman als Grundlage beschränkt. Die Behandlung des Romans erfolgt hierbei, wie der Titel des
Liedes vorgibt sehr subjektiv, da in „unsympathisch“ eine Wertung vorliegt. In den ersten 3
Strophen wird eine Art Sinnwidrigkeit des von Raskolnikov begangenen Mordes an einer alten
Pfandleiherin dargestellt, der zunächst als Raubmord geplant war, aber so nicht ausgeführt werden kann, da Raskolnikov zwar den Mord begeht, es aber wegen seines inneren Konfliktes es nicht schafft sich der Habseligkeiten seines Opfers zu bemächtigen und weiterhin von seinen Erinnerungen gequält wird, so dass das Vorhaben letztlich ihm selbst geschadet hat, was auch in der dritten Strophe des Liedes angedeutet wird. Der Satz „Bist du eine zitternde Kreatur, oder hast du das Recht“(Strophe 2, Vers 1) stellt die Quintessenz der ethischen Theorie von Raskolnikov dar, die auch das meist behandelte Thema des Diskurses um Dostojewskijs Werk darstellt und im Kontext zu Nietzsches Theorie um den „Übermenschen“ genannt wird.

In der zweiten Strophe taucht eine Parallele zu einem russischem Märchen vom „Brei aus der Axt“ auf in welchem ein Soldat eine alte Frau überlistet. „Man kann keinen Brei aus der Axt kochen, wenn man sie in alle Richtungen schwingt“, (Strophe 5, Vers 1-2), in dieser Strophe kann man die Kritik an Raskolnikovs Denkweise und Handeln interpretieren. In der letzten Strophe taucht Dostojewskij unerwartet selbst auf und stellt sich der Kritik entgegen, insofern kann man von einem humorvollen Abschluss sprechen. Charakteristisch für den Text ist, dass alle Verse je einmal hintereinander wiederholt werden, so dass die Strophen, die eigentlich aus je zwei Versen bestehen auf vier Verse verdoppelt werden. Der Refrain wird ebenso auf zwei Verse verdoppelt. Die Struktur des Liedes beinhaltet 4 Mal den Refrain, der das Lied strukturiert und die 8 Strophen von einander trennt, wobei Strophe 1, 2 und 3 nicht getrennt werden, sowie 5, 6 und 7, so dass Strophe 4 und 8 jeweils zwischen 2 Refrains isoliert werden, die Struktur ist insofern symmetrisch. Die Metrik ist, wenn man nur den Text betrachtet unregelmäßig mit 1-2 Senkungen zwischen den Hebungen, wobei 4-6 Hebungen pro Vers vorkommen.

Für das Verständnis der Rhythmik ist es hilfreich die musikalische Begleitung und Intonationen beim Singen zu berücksichtigen. Der erste Vers ist 9 Viertelnoten lang, wird wiederholt und vom dritten Vers mit 6/4 abgelöst. Die zweite Strophe beinhaltet zwei Mal einen 8/4-Vers und zwei Mal 10/4, währen die dritte 9/4 und 7/4 aufweist. Der Text wird als teils synkopierte Achtelkette gesungen. An dieser Stelle ist die Verwandtschaft mit der russischen Tradition des Epos nicht zu verkennen, da sich die Anzahl der Noten pro Vers dem Text anpasst und auch die Rhythmik der Anschläge(insbesondere der Gitarre und E-Bass) an die Rhythmik des Gesangs angelehnt ist. Dies wird mit dem meditativen Charakter des Kehlkopfgesanges oder von langen Vokalen auf einer Note, die zwischen den Strophen wahlweise eingesetzt werden, unterstützt. Harmonisch spielt sich der größte Teil des Liedes im Wechsel zwischen den Akkorden a-moll und G-Dur ab, nur in der letzten Strophe gibt es eine Abwärtsbewegung auf der Gitarre über a-moll, G-Dur, F-Dur und E-Dur, die Spannung zwischen den letzten Akkorden erinnert hierbei an spanische Gitarrenmusik.

Außer den Stimmen gibt es keine Instrumente im Stück, die eine Melodie spielen, damit dient die instrumentale Begleitung lediglich als rhythmische und harmonische Grundlage für die Stimmen. Anhand dieses Liedes des Trios „Staryj Ikarus“, welches mit einer Westerngitarre, einem Cajon und einem E-Bass eher zu den unverstärkten Kammertrios, als zu technisch aufwendigen Rock- Projekten gehört, kann man die Musik eher als eine Kombination ethnischer Elemente mit Liedermacher-Musik kennzeichnen, als Rock-Musik, wobei andere Lieder der Band weniger oder keine ethnischen Elemente enthalten und damit am ehesten der Musik der russischen Liedermacher nahe stehen. Bemerkenswert ist die Beschäftigung mit der russischen klassischen Literatur, vertreten durch F.Dostojewskij, wodurch Steinholts Schlussfolgerungen zu der Beziehung des russischen Rock zu der russischen literarischen Tradition* auch hier eine Grundlage bekommen. (c) Alexej Pronitschew

* siehe Steinholt 2004, S.193.

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