Mäuse

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Mäuse haben Löcher in die Kästen gefressen

Mäuse haben Fenster und Türen durchgefressen

In stickigen Kästen aus Schlacken und Stein

Schwarze Löcher komischer Aberglauben

Mäuse drängen sich in Rudeln zusammen

Die Rudel verfolgen Andersdenkende

Mäuse sehen nicht, wissen nicht

Was aus einem schwarzen Loch herausspringen kann

Mäuse! Mäuse!

Mäuse haben neulich einen Albino totgebissen

Mäuse haben ein Gesetz erlassen,

Nach dem alle Kurzschwanzige

Dem Kater zum Fraß vorgeworfen werden

Menschen lachen: Ach, diese Mäuse!

Uns Menschen beschäftigen ganz andere Sachen!

Menschen lachen, aber jemand, der ganz oben sitzt

Zieht sie an einer Schnur zum nächsten Loch

Mäuse! Mäuse!

Fliege

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Träge krieche ich an der Fensterscheibe herum

Ich bin eine Fliege, eine gewöhnliche verschlafene Fliege

Fragt mich mal, was ich sehe

Fragt mich mal, was ich weiß

Träge krieche ich an der Fensterscheibe herum

Ich bin eine Fliege, eine eklige schwarze Fliege

Eure Riesendinge gehen mich nicht an

Eure Ambitionen sind mir zu gewaltig

Faul krieche ich an der Fensterscheibe herum

Ich bin eine Fliege, eine lebensmüde Fliege

Danke für ihre eure Gastfreundschaft

Ich danke euch, ihr Guten!

Wenn euch aber jemand erzählt

dass Fliegen fliegen können

glaubt ihm nicht

seht mich nur an!

Wie lange ich schlief

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Silberne Tropfen

Hat der Regen auf das Fensterglas gesät

Mir als Erinnerung

Eine flüchtige nasse Spur hinterlassend

Mir als Erinnerung

Einen neuen Tag im Kalender hinterlassend

Ein trauriges Bild des Schönen

Und alle Pfützen da draußen

Wie ein endloser Vogelzug

Ziehen die Wolken

Und Vögel fliegen am Himmel

Sie haben einen langen Weg vor sich

Die Vögel ziehen

In die unvorstellbare Ferne

Aber es ist nur ein Traum,

Den ich manchmal sehe

Ref:

Die Sonne fängt an zu funkeln

Der Wind treibt Gewitterwolken fort

Wie lange habe ich geschlafen

Ringsum rascheln Bäume

Mit bunten Blättern

Es geschieht alles in dieser Welt

Aber irgendwie nicht mit mir

Es geschieht alles in dieser Welt

Wie in einem seltsamen Spiel

Der Morgen kommt, die Nacht vergeht

Nun muss ich aufstehen

Handy

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Dieses kleine Mistding wohnt in meiner Hosentasche

Nervt mich ständig mit nutzlosen Anrufen

Meine Hand tippt automatisch auf “Annehmen”

Ein halbminütiges Gespräch, man redet aneinander vorbei

Dieses kleine Mistding meiner Generation

Nimmt uns Stunden unserer wertvollen Zeit

Die Verbindungsqualität wird immer besser

Minuten schmecken wie Bonbons für elektronische Zeitfresser

Ref:

Mobiles Telefon! Mobiles Telefon!

In einem Telefongespräch ist es einfacher

Jemandem zu sagen: “Du gefällst mir sehr”

Oder zu beleidigen, zu überzeugen, sich abzusprechen

Doch es fehlt etwas, wenn man das Gesicht nicht sieht

Und man hört auch nichts besonders Ernstes

Auch wenn der Telefonhörer mit funkelnden Worten strahlt

Da drüben sieht man zwei Freunde Rücken an Rücken stehen

Sie chatten miteinander über den heutigen Tag

Ref:

Mobiles Telefon! Mobiles Telefon!

Vor aufdringlichen Anrufen gibt es keine Rettung

Ich würde das Ding so gerne an die Wand schmeißen

Habe aber Angst, dass ich danach zum nächstgelegenen Geschäft laufe

Und mir dann ganz schnell ein neues kaufe

Dieses kleine Mistding

Dieses winzige Mistding

Dieses kleine Mistding

Dieses  trendy Mistding

Und neulich habe ich einen Traum gesehen:

In ferner Zukunft spazieren Handys Hand in Hand durch die Straßen

Miteinander ganz friedliche Dinge besprechend

Und daneben, an einem Kettchen – ein mobiles Menschlein

Mobiles Menschlein! Mobiles Menschlein!

Säuferlied

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Es wurde Abend und es wurde Morgen

Die Sonne ging runter und dann wieder auf

Still hat eine Gitarre geklungen

Und jemand hatte seine Freude daran

Hinter dem Fenster ist die Luft so frisch

Es singen und zwitschern die Vögel

Und das Atmen fällt einem einfacher

Das Atmen fällt einem leichter

* * *

Jeden Tag versammeln sie sich glückselig

Machen ihre Gläser voll

Essen geruhsam

Und begegnen einander mit Respekt

Ref:

Hinter dem Fenster saßen die Säufer

Gitarre haben sie gespielt

Lieder mit Gitarre gesungen

Und getrunken haben sie auch

* * *

Die Frau von einem ist ne Hexe

Und der Andere wurde neulich von seiner Arbeit entlassen

Und noch einer wurde heute

Von dreisten Nachbarn zutiefst beleidigt

Ref:

Es werden Gespräche über Politik geführt

Es finden Gespräche über Geschichte statt

Es gibt hier solche Analytiker

Die ruhig das Land regieren könnten

Ref:

Sie betrinken sich und werden müde

Sie erinnern sich an alles, was früher geschah

Und ich weiß, dass es viele von denen gibt

Und ich glaube – die Macht ist mit ihnen

Unvorsichtig

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

So unvorsichtig, ohne Angst obszön zu erscheinen

Lebe ich in der Vergangenheit

Jeden Tag springe ich aus dem Fenster heraus

Das ist nicht schwer

Es ist auch nicht schwer, mit sich zufrieden zu sein

Besonders wenn man dafür Tausend Gründe hat

Und jeder davon ist so was von schön

Dass man vor Freude fast heult

* * *

Falten von Eindrücken und Erinnerungen

Bleiben bis zum Ende mit uns

Und der Gesichtsausdruck mit Riesenaugen

Ähnelt einem Stein

Dem, das bergab und bergauf rollt

So viele Male

Und der langweilige Onkel Sisyphus

Hat’s längst aufgegeben, seine Karat zu zählen

* * *

Kratzer vergangener Fehler, Gewissensbisse,

Stechende Blicke aus dem gerissenen Spiegel

Du hörst aufmerksam Nachrichten auf Besseres hoffend

Aber bist Du sicher, dass die Nachrichten für Dich sind?

Wilde Weiber

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Gefährliche Weiber, wilde Weiber

Heulen im Dunkeln

Umzingeln mein Lagerfeuer

Gefährliche Weiber, wilde Weiber

Kommen immer näher, näher und näher

In diesem stockfinsteren, hoffnungslosen Wald

Was rede ich für einen Unsinn?

Au, auuu! Au, auuu!

Werde ich, der Prometheus-Ähnliche,

Deren kunstloser Künstlichkeit zum Opfer fallen?

Dem berückenden Äußeren,

Was gibt es da sonst noch?

Au, auuu! Au, auuu!

Der Wind fängt an zu wehen

Der Wind fängt an zu heulen

Die Weiber fangen an zu heulen

Immer näher kommend

Kalt ist ihnen im Wald, kalt ist ihnen im Wald,

Hunger haben sie im Wald, Hunger haben sie im Wald,

Ihnen ist kalt, sie haben Hunger im Wald

Sie tun mir leid, die wilden

Dostojewskis Held

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Dostojewskis Held ist mir unsympathisch

Dostojewskis Held ist mir unsympathisch

Diese vogelartigen Gemütsbewegungen

Diese vogelartigen Gemütsbewegungen

Ach, warum hatte Rodion die Alte geknackt?

Ach, warum hat er – Rodion – die Alte geknackt?

Als ob er vorab nicht wüsste, dass er nicht genug Mumm hat

Als ob er vorab nicht wüsste, dass er nicht genug Mumm hat

Zu leben, sich an ihre Äuglein erinnernd

Zu leben, sich an ihre Äuglein erinnernd

Sie in seinem Gedankenumschlag beobachtend

Sie in seinem Gedankenumschlag beobachtend

Hey, Rodi-Rodion, Rodi-Rodion!

Bist Du eine zitternde Kreatur oder hast Du das Recht

Bist Du eine zitternde Kreatur oder hast Du das Recht

Alle Menschen um Dich herum zu hauen

Alle Menschen um Dich herum zu hauen

Hey, Rodi-Rodion, Rodi-Rodion!

Man kann so aus der Axt keinen Brei kochen,

Wenn man sie in alle Richtungen schwingt

Man kann so aus der Axt keinen Brei kochen,

Wenn man sie in alle Richtungen schwingt

Gib zu, Du hast sie unter der Bank gefunden

Gib zu, Du hast sie unter der Bank gefunden

Der kleine Rodion hat eine Axt gefunden

Mit ihr ist er zur Oma gegangen

Mit einem Kribbeln in der Schulter holt er mit der Hand aus

Und lässt die Axt sausen

Man hört die Knochen krachen! Hey, bist Du ein Bösewicht!

Hey, Rodi-Rodion, Rodi-Rodion!

Plötzlich aus dem Nichts heraus erscheint Dostojewski:

“Welch eine Kreatur fängt hier mit Kritik an?

Sei froh, dass es eine Axt war, und kein Stemmeisen

Keine Drosselschnur und keine Seilwinde”

Ein für allemal! Ein für allemal!

Hey, Rodi-Rodion, Rodi-Rodion!

Ampeln

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Du wechselst Uniformen, strahlst Optimismus aus

Und deine Augen blicken wie Ampeln auf Passanten herab

In der Gewöhnlichkeit der Bewegungen auf Stufen der hellen Tage

Spazierst du wie ein Spiegelbild deiner Einzigartigkeit

Deiner Unruhigkeit 

* * * 

Das Lächeln wandert über die Gesichtsunebenheiten

Man erinnert sich an frühere Fehler und rechtfertigt sich

Dieses ewige Lächeln, diese ewigen Fehler und überfließende Emotionen

Wähle dir eine davon aus 

Ref: 

Schlage mir alles vor, gegen was du nicht bist

Ich werde auch nicht dagegen sein und keiner wird dagegen sein

Lass alles sprechen, was früher schwieg

Und keiner wird dagegen und alle werden dafür sein 

* * * 

Und dann kommt der Morgen, aber uns wird es dort nicht mehr geben

Und in leeren Autoinneren erklingt ganz leise Jazz 

Nun ist der Sommer vorbei, der Herbst steht vor der Tür

Nur gestrige Verluste füllen die Leere 

Ref: 

Schlage mir alles vor, gegen was du nicht bist

Ich werde auch nicht dagegen sein und keiner wird dagegen sein

Lass alles sprechen, was früher schwieg

Und keiner wird dagegen und alle werden dafür sein

Nein

Autor: L.M.     Kategorie: Texte

Ich weiß, Du wirst immer Recht haben

Ganz egal, worum es geht

Du fängst aufmerksam die Worte anderer

Um das Deine nicht zu verpassen

Ich warf dir welche hin, ein Wortbukett nach dem anderen

Während in meinem Kopf der Frühling tönte

Und jedes “nein” war wie ein Kratzer

Aber das Fell ist ganz geblieben 
 
 

Der Abreißkalender deiner Hobbies

War voll mit wunderschönen Seiten

Ich schaute ihn an, ohne zeigen zu wollen

Dass ich auf ihn herabschaue

Danke dir für die unkindische Zeit

Als das Leben nicht langweilig war

Und jedes “nein” war wie ein Kratzer

Doch das Fell hält noch 
 

Früher glaubte ich an die Kraft des Feuers

Doch nur der guten Manieren wegen

Inspiriert mich eine fünfminütige Muse 

Zu einem fünfminütigen Meisterwerk

Womit soll ich denn die neue Nacht füllen

Wenn der Schlaf wieder fehlt

Und jedes “nein” ist wie ein Kratzer

Doch das Fell bleibt ganz